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Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Diese Urteile sollten Sie kennen

Haftungsvermeidung bei Vertriebsorganisationen

(Finanzwelt Mai 2003, Seite 60/61)

Verzweifelter AnlegerHaftung wird in der Regel dann diskutiert, wenn es zu spät ist. Dabei kann man durch Vorsorgemaßnahmen zur Haftungsvermeidung bzw. Haftungsminimierung beitragen. Dies geschieht oft nicht, denn die damit verbundene Arbeit und Ausgaben möchte man sich sparen. Aber ist es so viel preiswerter, mit Haftungsurteilen umgehen zu müssen, wenn man die ausgeurteilte Summe + Zinsen + Kosten + Imageverlust + Vertriebshindernis zahlen muss? Begreift man Haftungsvermeidung als Managementaufgabe, dann ist dies eine anspruchsvolle und kreative Aufgabe. Einige Hinweise sollen dies verdeutlichen.

Klagen Kapitalanleger wegen Beratungsfehlern nicht gegen den betreffenden Anlageberater/-vermittler, sondern gegen die Vertriebsorganisation, wenn er für diese erkennbar aufgetreten ist (OLG Celle 5.09.2002 – 11 U 04/02, OLGR 2003, 24), dann deshalb, weil in aller Regel sich solche Vertriebsorganisationen Pflichtverletzungen der für sie aufgetretenen Personen zurechnen lassen müssen. Insbesondere der 11. Senat des OLG Celle vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, der stillschweigende Anlageberatungs-/ -vermittlungsvertrag komme dann nicht zwischen dem Anlageberater/Anlagevermittler und dem Kapitalanleger zustande, sondern zwischen der Vertriebsorganisation und dem Kapitalanleger (zuletzt OLG Celle 05.09.2002 – 11 U 184/01, OLGR 2003, 22 und OLG Celle 05.09.2002 – 11 U 04/02, OLGR 2003, 24). Dies deshalb, weil der Anlageinteressent dann, wenn der Anlageberater/Anlagevermittler erkennbar für eine Vertriebsorganisation aufgetreten sei, in der Regel kein Interesse daran habe, direkt mit dem Anlageberater/Anlagevermittler einen Vertragabzuschließen, dessen Kenntnisstand und Schulungsstand er nicht abschätzen könne. Vielmehr vertraue der Anlageinteressent dann auf den Bekanntheitsgrad der Vertriebsorganisation. Die Vertriebsorganisation muss nur dann nicht für Pflichtverletzungen ihrer Anlageberater/ Anlagevermittler einstehen, wenn es sich um vorsätzliche Pflichtverletzungen handelt, von denen die Vertriebsorganisation keine Kenntnis hatte oder nachdem sie davon erfuhr, unverzüglich eingeschritten ist (OLG Celle 05.09.2002 – 11 U 184/01, OLGR 2003, 22).

K.-R. WagnerIst auf diese Weise für den Anlageinteressenten Transparenz geschaffen worden, wird er später nicht einwenden können, nicht umfänglich beraten worden zu sein. Und ist der Teil der Beratung, zu dem sich der Anlageberater/ Anlagevermittler positiv verpflichtet hatte, vollständig und richtig gewesen, dann ist es im übrigen Sache des Kapitalanlageinteressenten selbst, sich mittels eigener weiterer Berater kundig zu machen, um eine sachgerechte Entscheidung zu treffen (Wagner, Die Pflichten von Kapitalanlegern zur eigenverantwortlichen Prüfung und sachgerechten Entscheidung, BB 2002, 172).

Dies lässt sich auch aus der Rechtsprechung ableiten: Dass ein stillschweigender Anlageberatungs-/ -vermittlungsvertrag zustande kommt, wird dann angenommen, wenn der Anlageinteressent verdeutlicht, dass er aufgrund der Kenntnisse und Verbindungen des anderen auf bestimmte für ihn wesentliche Informationen Wert legt, die für die eigene Anlageentscheidung von Bedeutung sind und in Kenntnis dieses Kundenwunsches mit der Beratung bzw. Auskunfterteilung begonnen wird (BGH 22.03.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 106). Damit ist aber noch nicht gesagt, in welchem Umfang ein solcher Vertrag zustandekommt. Der Inhaltsumfang eines Vertrages wird einerseits durch das bestimmt, worauf man sich einvernehmlich einigt und durch die Transparenz darüber, was leistungsmäßig nicht Inhalt dieses Vertrages sein soll. Deshalb kann es sich empfehlen, durch ein beiderseits zu unterschreibendes Beratungsprotokoll zu dokumetieren, was Gegenstand der Beratung war und was nicht; letzteres verbunden mit dem fettgedruckten Hinweis, dass der Anlageinteressent diesbezüglich vom Anlageberater/Anlagevermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sich anderweitig beraten zu lassen.

Möchte vor diesem Hintergrund eine Vertriebsorganisation eigene Haftungsrisiken vermeiden, sollte sie nicht nur solches vorgeben, sondern ein Controlling-System einrichten, das die Einhaltung dieser Vorgaben überwacht und gegensteuert, wenn dagegen verstoßen wird (dazu im einzelnen: Wagner, Haftungsbegrenzung beim konkludenten Anlageberatungsvertrag durch Haftungsfreistellung gemäß Beratungsprotokollen in: Schmider/ Wagner/Loritz, HdB, Fach 8130). Wird dann gleichwohl seitens eines Anlageberaters/Anlagevermittlers dagegen verstoßen und unterliegt die Vertriebsorganisation in einem mit einem Kapitalanleger geführten Prozess deshalb, so bleibt ihr die Möglichkeit, bei dem entsprechenden Anlageberater/Anlagevermittler Rückgriff zu nehmen. Vorgenannte Vorgaben, ein Controlling und die Möglichkeit des Rückgriffes gegen "Abweichler" werden oben dargestellte Haftungsrisiken spürbar eingrenzen helfen.

Dr. iur. Klaus - R. Wagner

 

GeldKapitalanleger erheben oft Klage mit der Behauptung, sie seien über dieses oder jenes nicht aufgeklärt worden. Wären sie aufgeklärt worden, dann hätten sie sich nicht beteiligt. Dahinter verbirgt sich der Vorwurf, man habe als Kapitalanleger geglaubt, über alles Wesentliche aufgeklärt worden zu sein, man habe jedoch festgestellt, dass dies aus im einzelnen aufgezählten Gründen nicht der Fall gewesen sei. Und Gerichte nehmen dann zum Maßstab, über was alles hätte aufgeklärt werden müssen und gleichen daran dann ab, wo Defizite vorhanden waren. Darauf kann man sich aber einstellen, indem man von vornherein dokumentiert, worüber man aufklären möchte und worüber nicht. Letzteres ist dann nicht haftungsbegründend, wenn man als Anlageberater/Anlagevermittler dies nachweisbar mit dem Hinweis versieht, dieserhalb müsse sich der Anlageinteressent anderweitig beraten lassen. Haftungsbegründend ist nämlich nicht, den Anlageinteressenten nicht in allen für seine Anlageentscheidung wesentlichen Punkten nicht aufgeklärt zu haben, sondern ihn in dem Glauben gelassen zu haben, er sei über alle für seine Anlageentscheidung wesentlichen Punkten aufgeklärt zu haben, auch wenn dies nicht der Fall war. Dies bedeutet, dass man dieserhalb Haftung dadurch vermeiden kann, wenn man als Anlageberater/Anlagevermittler

  • einerseits seine Beratungs-/Auskunftsleistung eingrenzt und das, was man als eigene Leistung erbringen möchte, positiv beschreibt und
  • andererseits negativ beschreibt, welche Leistung man nicht erbringt, und dass deshalb der Anlageinteressent sich anderweitig beraten lassen sollte (z.B. bei seinem Steuerberater oder seinem Anwalt etc.).