Presse

Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


BGH-Urteil zu Haustürkrediten

(Finanzwelt Mai 2002, Seite 54/55)

In der Presse ist zu lesen, Kapitalanleger könnten sich aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 09.04.2002 (XI ZR 91/99) von ihren lmmobillenkapitalanlagen trennen und auf Banken kämen Ausfälle und Prozessrisiken in Milliardenhöhe zu. Nichts davon ist richtig.

Gemäß Art. 3 Abs. 2a der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie ist diese auf den "Bau, Verkauf ... von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien" nicht anwendbar. Gemäß Art. 2 Abs. la der Europäischen Verbraucherkreditrichtlinie findet diese Richtlinie "keine Anwendung auf Kredite oder Kreditversprechen, die hauptsächlich zum Erwerb ... von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem vorhandenen oder noch zu errichtenden Gebäude ... bestimmt sind." Da aber der Abschluss eines Kreditvertrages in einer Haustürsituation von der Haustürgeschäfterichtlinie erfasst ist, ging es im Verfahren BGH XI ZR 91/99 darum, ob den Kapitalanlegern ein Wiederrufsrecht nach dem deutschen § 1 Abs. 1 Haustürwiderrufsgesetz (HwiG) i.V.m. der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie bezüglich des abgeschlossenen Kreditvertrages nicht des Vertrages über die Immobilie zustand. Dies war nach deutschem Recht nicht der Fall, wenn der Kredit grundpfandbesichert war (§§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 2 HwiG, 3 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m 7 VerbrKrG). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass diese vom deutschen Gesetzgeber bewusst getroffene gesetzliche Regelung mit der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie nicht vereinbar sei, es sei denn, es ist bei Abschluss des Kreditvertrages eine Widerrufsbelehrung erfolgt o d e r der Kreditvertrag ist in den Geschäftsräumen der Bank abgeschlossen worden. Der letztere Fall ist nämlich von der europäischen Haustürgeschäfterichtlinie nicht erfasst, kann folglich zu keinem Kollisionsfall von deutschem HWiG und Europäischer Haustürgeschäfterichtlinie führen wie der Europäische Generalanwalt und der EuGH selbst feststellten. Wo aber kein Kollisionsfall von deutschem HWiG und Europäischer Haustürgeschäfterichtlinie gegeben ist, gilt ausschließlich das deutsche Recht. Und nach deutschem Recht gibt es bei grundpfandbesicherten Krediten kein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 HWiG wie zuvor ausgeführt.

In dem Verfahren BGH XI ZR 91/99 war nun streitig, ob der Kreditvertrag in den Geschäftsräumen der Bank abgeschlossen worden war oder nicht. im ersteren Fall bestand mit zuvor ausgeführtem kein Widerrufsrecht, im letzteren Fall nach der Europäische Haustürgeschäfterichtlinie nicht nach deutschem Recht sehr wohl. Um diese Tatsachenfrage zu klären, hat deshalb der BGH das vorangegangene Urteil des Obersten Landesgerichtes (OLG) München aufgehoben und den Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen, damit diese Tatsachenfrage aufgeklärt wird (so bereits Wochen vor dem Urteil des BGH vom 09.04.2002, s. Wagner BKR 2002, 194). Es ist also noch nichts passiert, weder zu Gunsten der Kapitalanleger noch zu Lasten der Bank, so dass die anders lautende Presse doch außerordentlich verwundern muss.

Schauen wir uns nun hypothetisch die Folgen an, wenn irgendwann vom OLG München geklärt worden ist, wo der Kreditvertrag des Kapitalanlegers geschlossen worden ist:

Wenn sich erweisen sollte, dass der Kreditvertrag in den Geschäftsräumen der Bank und sei es in einer Geschäftsstelle der Bank geschlossen worden ist, dann ist die europäische Haustürgeschäfterichtlinie nicht anwendbar. Also kann deutsches Recht dann auch nicht richtlinienkonform ausgelegt werden. Nach oben dargestelltem deutschem Recht besteht bei einem grundpfandbesicherten Kredit kein Widerrufsrecht. Und wo kein Widerrufsrecht besteht, kann es auch keine Belehrungspflicht über ein Widerrufsrecht geben. In diesem und für vergleichbare Fälle verbleibt es beim abgeschlossenen Kreditvertrag. Daran hat sich durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts geändert.

Wenn sich erweisen sollte, dass der Kreditvertrag nicht in den Geschäftsräumen der Bank und sei es in einer Geschäftsstelle der Bank geschlossen worden ist, bestünde nach der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie ein Widerrufsrecht, nicht aber bei grundpfandbesicherten Krediten nach deutschem Recht. Dies führt dann zu der Streitfrage, ob das deutsche Recht gegen seinen eindeutigen Wortlaut richtlinienkonform ausgelegt werden kann.

Würde man dies verneinen, weil nach der Rechtssprechung des EuGH das Verbot der horizontalen Drittwirkung der Richtlinie gilt (EuGH 08.10.1987 Rs. C 80186, sIg. 1987, 1 3982 Rdn. 9), denn Richtlinien wenden sich gemäß Art. 249 Abs. 3 EG nur an Mitgliedstaaten, dann verliert zwar der Kapitalanleger den Prozess, weil es bei dem fehlenden Widerrufsrecht des Kapitalanlegers nach nationalem Recht bleibt. Aber er hätte die Möglichkeit, die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlerhafter Umsetzung der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie in deutsches Recht aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung in Anspruch zu nehmen.

Würde man dagegen eine richtlinienkonforme Auslegung deutscher Gesetze gegen ihren Wortlaut bejahen, dann könnte der deutsche Kapitalanleger durch Ausübung seines Widerrufsrechts sich von seinem Kredit nicht von seiner Immobilie lösen. Die Bank müsste dem Kapitalanleger die von ihm gezahlten Zins und Tilgungen zurückzahlen. Andererseits müsste der Kapitalanleger der Bank den erhaltenen Kredit mit marktüblicher Verzinsung zurückzahlen, weshalb die Bank gegen ihre eigene Rückzahlungsverpflichtung aufrechnen wird und vom Kapitalanleger nur noch den überschießenden Betrag zurückverlangen kann. Ist der Kapitalanleger dazu nicht in der Lage, kann die Bank aufgrund ihres Grundpfandrechts die Zwangsversteigerung in die Immobilie betreiben und sich aus dem Versteigerungserlös befriedigen. Nur dann, wenn auch dies nicht ausreicht, die Restforderung der Bank auszugleichen, hätte die Bank ein Ausfallrisiko. Und würde dies eintreten, könnte die Bank dieserhalb insoweit die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlerhafter Umsetzung der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie in deutsches Recht aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung in Anspruch nehmen.

Es wird folglich deutlich, dass das von der Presse hochgespielte Milliardenrisiko der Banken bei weitem übertrieben ist. Wenn jemand letztlich ein Risiko hat, dann sind es zunächst einmal Kapitalanleger, wenn diese durch Presse und Anwälte sich ohne Rücksicht auf das zuvor Skizzierte in Prozesse treiben lassen. Allenfalls hat ferner noch die Bundesrepublik Deutschland ein Risiko, wenn sie in zuvor aufgezeigten Fällen wegen fehlerhafter Umsetzung der Europäischen Haustürgeschäfterichtlinie in deutsches Recht aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung in Anspruch genommen würde.

Unklar ist, welche Folgen dies alles für Finanzierungen bei geschlossenen Immobilienfonds hat. Einerseits ist unklar, ob die Europäische Haustürgeschäfterichtlinie auf unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds (dazu Wagner NZG 2000, 169, 170) und auf von Fonds abgeschlossene Kreditverträge überhaupt anwendbar ist. Andererseits gilt es zu bedenken, dass der BGH (02.07.2001 Il ZR 304/00), soweit er mangels Widerrufsbelehrung und mangels notariell beurkundeter Beitrittserklärung den Widerruf bezüglich einer mittelbaren gesellschafterlichen Beteiligung an einer Publikums KG zuließ, dies mit der Anmerkung versah, dadurch dürften Gläubiger der KG und Mitgesellschafter nicht benachteiligt werden. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass bei krisengeschütteltelten Fonds ein Widerruf auch nach dieser Entscheidung nicht möglich wäre. Denn sonst könnten durch Widerruf der Beteiligung schnell agierende Gesellschafter sich zu Lasten der weniger schnellen Gesellschafter vom Fonds verabschieden. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt jedoch kein zulässiges "Windhundrennen Prinzip".

Es ist also Vorsicht geboten. Und Kapitalanleger sollten nicht auf jeden hereinfallen, der ihnen verheißt, durch Prozesse könnten alle Probleme gelöst werden. Prozesse lösen keine wirtschaftlichen Probleme, sie lassen nur neue entstehen wie das zuvor Aufgezeigte verdeutlicht.