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Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Auf den Punkt gebracht

Diese Urteile sollten Anlageberater kennen

(Finanzwelt Januar 2002, Seite 48/49)

Mit nachfolgenden Hinweisen soll Orientierung über neuere Rechtsentwicklungen gegeben werden. Die Auswahl ist selektiv und spricht derzeit in der Diskussion befindliche Themen an. Besteht der Wunsch nach weiteren Schwerpunkten, so bittet die Redaktion um entsprechende Hinweise.

Welche Mitverantwortung ist bei Schadenersatzansprüchen auf Initiatoren- und Vertriebs-, aber auch auf Anlegerseite zu prüfen?

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat durch Urteil vom 28.02.2001 (9 U 117/00) folgendes entschieden: "1. Ein Verbraucher kann Schadensersatzansprüche, die sich aus einem unzureichenden Prospekt über eine Kapitalanlage gegen die Anlagegesellschaft ergeben, unter dem Gesichtspunkt des verbundenen Geschäfts auch der finanzierenden Bank entgegen halten und die Rückzahlung des zur Finanzierung der Anlage aufgenommenen Darlehens verweigern. 2. Aus dem Umstand, dass Kreditvertrag und Anlagegeschäft verbundene Geschäfte im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) § 9 darstellen, folgt keine Verpflichtung der Bank zur Rückerstattung bereits vorbehaltlos geleisteter Darlehensraten." Der BGH hat die Frage, ob § 9 Abs. 1-3 VerbrKrG entsprechend auch für Kredite gilt, die z.B. zur Finanzierung der Beteiligung an einer Immobilienfonds GbR gewährt wurden (§ 9 Abs. 4 VerbrKrG), in seiner Entscheidung vom 27.06.2000 (XI ZR 210/99) noch nicht abschließend entschieden. Ob für die Beantwortung der Frage ein (unzureichender) Prospekt mithin entscheidungserheblich sein kann, steht folglich noch nicht endgültig fest.

Auch wenn vorgenannte Entscheidungen Kreditinstitute betrafen, sind sie nicht ohne Folgen für den Kapitalanlagevertrieb. Denn dort, wo Kapitalanleger sich von in die Krise geratenen Kapitalanlagen aufgrund der Rechtsprechung nicht von Finanzierungslasten trennen können, besteht das Risiko, dass sie dann versuchen könnten, Schadensersatzansprüche gegen Anlageberater, Anlagevermittler, Vertriebsgesellschaften, Initatoren und Prospektherausgeber zu richten. Für die Zukunft möge man sich daher folgendes Raster vor Augen halten:

1. Die Anbieterseite (Initiator, Prospektherausgeber, Vertrieb) hat den Kapitalanleger wahr, vollständig und unmissverständlich zu informieren / beraten. Diese Information / Beratung muss

  • anlagegerecht und
  • anlegergerecht

erfolgen.

Die anlagegerechte Information erfolgt einerseits seitens des Initiators bzw. Prospektherausgebers typisiert durch den Prospekt und andererseits individuell durch den Anlagevertrieb. Die anlegergerechte Beratung erfolgt individuell und subjektbezogen durch den Anlagevertrieb.

Vereinfacht lässt sich sagen, dass die anlagegerechte Information mittels Prospekt und die anlegergerechte Beratung durch den einzelnen Anlagevermittler bzw. Anlageberater erfolgt.

2. Die Anbieterseite ist bezüglich der anlagegerechten Information via Prospekt daran interessiert, dem eigenen Pflichtenumfang zu genügen. Das Problem besteht darin, dass bisher Maßstäbe fehlten, was ein zu erstellender Prospekt alles berücksichtigen muss, wenn er Informationsmedium der anlagegerechten Information sein soll. Dazu sollen z.B. die Branchenstandards des Verbandes geschlossener Immobilienfonds (VGI) dienen.

3. Damit wird zugleich deutlich, dass damit nur die typisierte anlagegerechte Informationspflicht der Anbieterseite angesprochen ist, nicht die vom Anlagevertrieb auch unabhängig davon geschuldete individuelle anlagegerechte Information und anlegergerechte Beratung des Kapitalanlegers.

4. Der Prospektherausgeber ist daran interessiert, überprüfen zu lassen, ob er den Anforderungen ordnungsgemäßer Prospektierung genügt hat. Deshalb lässt er den Prospekt durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen, der sich wiederum aus berufs- und versicherungsrechtlichen Gründen bei dieser Prospektprüfung an den Grundsätzen des Institutes der Wirtschaftsprüfer orientiert.

5. Damit wird zugleich deutlich, dass die Prospektprüfung weder die Anbieterseite von der anlagegerechten Information noch von der anlegergerechten Beratung entlastet, sondern nur die Prüfung der typisierten anlagegerechten Information via Prospekt zum Gegenstand hat.

6. Aber: Die Anbieterseite (Initiator, Prospektherausgeber, Vertrieb) hat den Kapitalanleger anlagegerecht zu informieren und anlegergerecht zu beraten, damit der Kapitalanleger selbst oder mittels eigener Berater die ihm gegebenen) Information und Beratung prüfen und eine sachgerechte Entscheidung treffen kann.

7. Es müssen folglich zwei Dinge zusammenkommen:

  • die vorgenannte anlagegerechte Information und anlegergerechte Beratung der Anbieterseite und
  • darauf aufbauend die eigene Prüfung und Entscheidung durch den Kapitalanleger.

Schadensersatzansprüche eines Kapitalanlegers wegen Schlechterfüllung eines konkludenten Anlageberatungs- / -vermittlungsvertrages bzw. aufgrund Prospekthaftung setzen mithin zweierlei kumulativ voraus: Die Anbieterseite muss ihrer Verpflichtung nicht oder nicht ausreichend entsprochen haben und der Kapitalanleger muss geprüft und sich für die Kapitalanlage in Unkenntnis über Defizite der Anbieterseite entschieden haben.

Hat dagegen der Kapitalanleger geprüft (sei es selbst oder durch einen eigenen Berater) und dabei Defizite der Anbieterseite erkannt und hat er diesbezüglich nicht nachgefragt und sich gleichwohl für die angebotene Kapitalanlage entschieden, so ist für seinen Schaden das eigene Fehlverhalten des Kapitalanlegers kausal geworden. Gleiches gilt, wenn der Kapitalanleger eine eigene Prüfung (sei es selbst oder mit eigenem Berater) gänzlich unterlassen hat.

Dr. iur. Klaus R. Wagner