Zur Diskussion gestellt

Rechtsanwalt und Notar • Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. iur. Klaur-R. Wagner, Wiesbaden


Notarielles Vertrags-Controlling

Sachstand

Wer kennt es nicht: Verträge werden oft mühsam ausgehandelt und in vielen Fällen versucht die eine Vertragspartei, im Ansatz das eigene Vertragsmuster oder den eigenen Vertragsentwurf zur Grundlage von Verträgen zu machen und im Zuge von Vertragsverhandlungen durchzusetzen. In der Regel setzt sich der Stärkere durch. Dabei lauern allerdings vielfältige Gefahren:

  • Würden solche Verträge stets einer richterlichen Inhalts- oder Angemessenheitskontrolle stand halten?
  • Wie wirken sich Gesetzesänderungen auf die Wirksamkeit solcher Verträge aus?
  • Wie wirkt sich neue Rechtsprechung oder Rechtsprechungsänderung auf die Wirksamkeit des einmal Ausgehandelten aus?

In der Regel werden einmal abgeschlossene Verträge auf eine fortbestehende Wirksamkeit von den Vertragsparteien nicht überwacht. Wichtig erscheint oft nur der Vertragsabschluß, weniger jedoch eine Überwachung der Wirksamkeitsdauer. Dabei wird übersehen, daß Verträge zwei Funktionen haben:

  1. Sie sollen quasi die "Spielregeln" der Vertragsparteien darstellen.
  2. Sie sollen aber auch für den Konfliktfall den Regelungsrahmen z.B. für die Beurteilung durch Gerichte abgeben.

Aber wer soll eine solche Überwachung vornehmen und wie könnte sie aussehen?

Diskussionsvorschlag

Eine Überwachung der Wirksamkeit von Verträgen könnte eine neutrale Person vornehmen, die nicht der Interessensphäre einer Vertragspartei zuzuordnen ist. Und die Überwachung sollte sich nicht darin erschöpfen, auf Wirksamkeitsbedenken z.B. aufgrund von Gesetzesänderungen, neuer Rechtsprechung oder Rechtsprechungsänderung hinzuweisen. Controlling ist mehr als das: Mit solchen Hinweisen könnten Vorschläge zur Vertragsanpassung verbunden werden (Gegensteuerung).

Ein solches Vertrags-Controlling könnte bereits in den Verträgen vorgesehen werden, indem sich Vertragsparteien darauf vertraglich verständigen würden, in welcher Weise dies erfolgen soll und welche neutrale Person dafür beauftragt werden soll.

Notarielles Vertrags-Controlling

Während Rechtsanwälte Berater ihrer Mandanten und damit parteiische Berater sind, darf der Notar nicht parteiischer Berater einer Partei sein. Er kann aber von einem oder auch mehreren Beteiligten als unparteiischer Berater angesprochen werden (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Unparteiische Beratung gegenüber Beteiligten durch einen Notar ist Amtstätigkeit.

Vertragsparteien können folglich in einem Vertrag - dies kann ein privatschriftlicher oder beurkundeter Vertrag sein - durchaus in Abstimmung mit einem von ihnen gemeinsam vorgesehenen Notar vereinbaren, daß dieser im Hinblick auf den abgeschlossenen Vertrag auf eine zu vereinbarende Dauer die Vertragsparteien kontinuierlich über folgendes informieren soll:

  • Gesetzesänderungen, neue Rechtsprechung bzw. Rechtsprechungsänderung, die sich auf diesen Vertrag auswirken kann.
  • Hinweise, wie die Vertragsparteien mit diesen Auswirkungen im Zuge einer Vertragsanpassung oder situationsbedingt umgehen können.

Beispiele

  1. Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 23.05.1996 (VII ZR 245/94) und 28.10.1999 (VII ZR 393/98) für den Bauvertrag eine Kooperationspflicht der Vertragsbeteiligten angesprochen. Bei Meinungsverschiedenheiten dürfe nicht sofort zur Kündigung gegriffen werden, vielmehr seien die Vertragsbeteiligten zunächst gehalten, im Verhandlungswege eine einvernehmlich Lösung

    zu suchen. Ein Hinweis auf diese sich verfestigende Rechtsprechung im Rahmen notariellen Vertrags-Controlling an beide Vertragsparteien könnte mit dem weiteren Hinweis verbunden werden, wie man vertraglich oder situationsbezogen dem Rechnung tragen kann.

  2. Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 29.05.2000 (II ZR 347/97, 75/98, 118/98) eine Rechtsprechungsänderung vorgenommen. Danach sind bei einer GmbH oder AG Gewinnausschüttungen auch Jahre später wieder seitens der Empfänger an die Gesellschaft zurückzuzahlen, wenn sich herausstellen sollte, daß die Bilanz, die dem Gewinnausschüttungsbeschluß zugrunde lag, fehlerhaft war und die Gewinnausschüttung nicht rechtfertigte.

    Ein Hinweis auf diese Rechtsprechungsänderung im Rahmen eines notariellen Vertrags-Controlling z.B. an die Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft könnte den Blick dafür schärfen, bei nachträglichen Bilanzproblemen darüber nachzudenken, ob dies Folgen auch für die Rückforderung von in der Vergangenheit vorgenommenen Gewinnausschüttungen haben könnte, die seitens der Geschäftsführung dann zurückzufordern wären.

Frage

Mit dem hier zur Diskussion gestellten Thema eines notariellen Vertrags-Controlling soll erfragt werden, ob in der Praxis hierfür ein Bedarf vorhanden sein könnte. Für eine Rückantwort, die auch brieflich anonym erfolgen kann, wäre ich sehr verbunden.